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Mittwoch, 13. Juli 2016
 
Natur - Im Klimagarten der Uni Tübingen auf dem Sand kann sich jeder gärtnerisch verwirklichen

Gepflanzt wird im Klimagarten gemeinsam

VON IRMGARD WALDERICH

TÜBINGEN. Der Tübinger Klimagarten ist ein 2000 Quadratmeter großes Stück Land mit bester Aussicht Richtung Österberg. Zucchini, Salat, Spinat und Beeren gedeihen dort, wo früher ein Hubschrauberlandeplatz für das ehemalige Lazarett auf dem Sand war. Die Bodendecke ist entsprechend dünn. Sie wird nach Kräften von Studierenden wieder fruchtbar gemacht. Permakultur und Terra preta (portugiesisch für schwarze Erde) spielen beim Gärtnern eine große Rolle. Gepflanzt wird in Pflanzengemeinschaften, gelebt wird menschliche Gemeinschaft.

Pauline Eichenseer kommt regelmäßig in den Klimagarten. Das Arbeiten in den Beeten ist für die Studentin ein guter Ausgleich zum Lernen.
Pauline Eichenseer kommt regelmäßig in den Klimagarten. Das Arbeiten in den Beeten ist für die Studentin ein guter Ausgleich zum Lernen. FOTO: Irmgard Walderich
Sandra Müller und Martin Gails haben die Verantwortung für den Klimagarten von Sarah Daum übernommen. Die Geoökologin hatte ihn 2012 gegründet, um dort ein Biokohle-Forschungsprojekt zu betreiben. Mittlerweile ist die Wissenschaftlerin in der Schweiz, aber den Garten gibt es immer noch. Rund 15 bis 20 Menschen gärtnern hier, erzählen Müller und Gails. Und es werden immer mehr.

Wer in den Klimagarten kommt, muss nicht studieren. Jeder darf seine Ideen einbringen und umsetzen. Gepflanzt, gejätet, geerntet und auch gefeiert wird gemeinsam. Ein Projekt, das von der Idee her weit über das einfache Gärtnern hinausgeht. Es geht darum zu lernen, wie die eigene Ernährung entsteht, welche Zusammenhänge es in der Natur gibt. Große Themen also, die dort auf dem Sand beackert werden. Und dabei kann jeder mit anpacken oder auch Dozent sein. Hierarchien gibt es nicht, was zählt, ist die Gemeinschaft.

In einigen Beeten wird nach den Prinzipien der Permakultur gegärtnert. Die Natur strebe dazu, auf jeder Fläche einen Wald zu bilden. Das sei, so Müller, einer der Ansätze der Permakultur. Entsprechend gestaltete Lebensräume werden als System aufgefasst. Gemeinschaften, die sich gegenseitig fördern und befruchten. In den Beeten auf dem Sand wird versucht, ähnlich einem natürlich gewachsenen Wald, den Boden vollständig zu bedecken und einzelne Höhen im Beet abzubilden. Zucchini beispielsweise dienen als Bodendecker. Dazwischen strebt Mais nach oben und alles wird von Bohnen umrankt.

Noch deutlicher wird das Prinzip in den Obstbaum-Lebensgemeinschaften, die die Klimagärtner angelegt haben. Im Zentrum steht der Obstbaum, er wird umgeben von Beerensträucher und Stauden. Erdbeeren bedecken den Boden. Umgeben wird das Ganze von Beinwell. Bis auf Letzteren ist dort alles essbar.
 
»In der Freizeit zu buddeln, hat etwas Entspannendes«
 
Um so eine Gruppe anzulegen, wurde zuerst die Wiese gesenst. Danach kam Pappe darauf. Auf die Pappe legten die Gärtner Gras und Häckselmaterial. Die Pappe verrottet im Laufe der Zeit. Auf der Fläche müsse nur zwei Mal im Jahr die Quecke herausgejätet werden, erzählt Sandra Müller. Ansonsten erhalten sich die Pflanzengemeinschaften selbst. Der Boden bleibe locker im Beet. Zum Beweis nimmt sie eine Handvoll feuchte Erde aus dem kleinen runden Beet.

Weiterer großer Schwerpunkt ist die Erzeugung von Terra preta, schwarzer Erde. Die Ureinwohner des Amazonasbeckens haben damit schon gegärtnert, weiß Gails. Sehr erfolgreich und nachhaltig. Sie haben eine bis zu vier Meter dicke Humusschicht für ihre Nachfahren hinterlassen, die bis heute genutzt wird. Um Terra preta zu erzeugen, wird Kompost mit Mikroorganismen und Biokohle vermischt. Die Klimagärtner bieten zur Herstellung dieses fruchtbaren Gemisches mittlerweile Kurse an.

Könnte sein, dass es die Forschung mit Biokohle war, die dem Garten mal seinen Namen gegeben hat. Aber sicher sind sich da die beiden Gärtner nicht. Klar ist nur, dass Biokohle dem Klima hilft. Sie entsteht, wenn Pflanzenreste unter Sauerstoffmangel verbrannt werden. Eine solche Kohle ist in der Lage, die Zusammensetzung von Bodenmikroorganismen zu verändern, sodass Emissionen des Treibhausgases Distickstoffmonoxid (Lachgas) verringert werden können. Das haben Tübinger und Hohenheimer Wissenschaftler nachgewiesen. Biokohle verbessert aber auch den Boden und ist nach wie vor ein beliebtes Forschungsgebiet. Im Klimagarten entstehen immer wieder Master- und Bachelorarbeiten. Derzeit läuft ein Projekt über die Fruchtbarkeit von Kompost mit und ohne Kohle.

Man kann aber auch einfach nur so zum Spaß zu den wöchentlichen Treffen montags ab 15 Uhr kommen. Die Studentinnen Pauline Eichenseer und Katharine Reinhold zum Beispiel gärtnern weniger aus Wissensdurst, den aus Freude. »In der Freizeit zu buddeln hat was Entspannendes«, sagen die beiden und hacken unverdrossen im Beet weiter. (GEA)

Wolle gegen Schnecken


Ein weißer Streifen Wolle liegt rund um die Beete des Klimagartens. Dazwischen wächst gesund und grün der Salat. »Keine einzige Schnecke mag Schafwolle«, begründet Sandra Müller den ungewöhnlichen Anblick. Ein dicker Strang Rohwolle schützt die Pflanzen. Sie darf darf allerdings weder entfettet noch gereinigt sein. Am besten, man nimmt sie so, wie sie vom Schaf kommt, direkt nach der Schur. Dann legt man sie rund um das Beet. Das ist ausreichend, um die Plagegeister zuverlässig von den Pflanzen abzuhalten. Im Klimagarten funktioniert diese natürliche Form der Schädlingsbekämpfung hervorragend. (iwa)
 

Martin Gails und Sandra Müller sind verantwortlich für den Klimagarten.

Martin Gails und Sandra Müller sind verantwortlich für den Klimagarten. FOTO: Irmgard Walderich