
Geburtstag - Am 19. Juli wäre Eduard Lucas, der Begründer des Pomologischen Instituts, 200 Jahre alt geworden
Pionier des Obst- und Gartenbaus
REUTLINGEN. Die »Pomologie«, das grüne Herz der Stadt, ist den meisten Reutlingern ein Begriff. Handelt es sich hierbei doch um die beliebteste Parkanlage der Achalmstadt, welche vielen kleinen aber auch größeren Veranstaltungen wie zum Beispiel der Garden-Life einen eindrucksvollen Rahmen bietet. Mit der Landesgartenschau im Jahr 1984 erhielt der Park sein heutiges Aussehen. Viele Reutlinger wissen nicht, woher der Begriff »Pomologie« eigentlich kommt. Entstanden ist die heutige Pomologie im Jahre 1860 als private Forschungs- und Lehranstalt für Gartenbau, Obstkultur und Pomologie gegründet von Eduard Lucas, dessen Geburtstag sich morgen am 19. Juli, zum 200. Mal jährt.
Bestimmung von Obstsorten
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit war die Kategorisierung und Bestimmung von Obstsorten. Seine umfassenden Sortenkenntnisse waren Grundlage für eine Vielzahl von Nachschlagewerken für Obstsorten. Zudem trug er maßgeblich zur Verbesserung und Erweiterung der damals vorhandenen Obstsortenklassifizierung nach Adrian Diel (1756 bis 1839), einem deutschen Arzt, der als Begründer der Pomologie gilt – dazu bei, dass später das System Diel-Lucas bezeichnet und im Mayrs Konversationslexikon veröffentlicht wurde.Im Pomologischen Institut wurden während seines Bestehens bis zum Jahre 1922 über 3 500 Schüler aus ganz Europa im Obst- und Gartenbau ausgebildet. Als prominenter Schüler kann hier Knud Knudsen angeführt werden, der vom norwegischen König nach Reutlingen entsandt wurde und von dem einige sehr schöne historische Stereoskopbilder aus der Frühgeschichte der Fotografie von Reutlingen (stammen) existieren.
Als erste Einrichtung dieser Art war das Reutlinger Institut mit seiner Fachschule wegweisend und wurde zum Vorbild für etwa weitere 50 ähnliche Ausbildungsstätten in Deutschland. Für den württembergischen Obstbau erwies sich die Einführung der Ausbildung zum Baumwart durch Eduard Lucas als besonders wirkungsvoll. Waren die Obstbäume doch ein wesentlicher Bestandteil der Nahrungsgrundlage.
Insofern war es für jedes Dorf wichtig und von Vorteil, einen Baumwart zu haben, welcher sich bei den gängigen Obstsorten oder bei der Schädlingsbekämpfung auskannte. Der Baumwart wurde zum staatlich anerkannten Beruf, der in vielen Gemeinden dafür Sorge trug, dass die heute so wertvollen Streuobstwiesen gute Erträge lieferten.
Erbe erhalten
Der Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine im Landkreis Reutlingen ist der Auffassung, dass Eduard Lucas eine bedeutende Persönlichkeit der Stadt Reutlingen ist und sein Erbe bewahrt werden sollte. Daher setzt sich der Kreisobstbauverband dafür ein, dass das historische Erbe von Lucas in seinem ehemaligen, denkmalgeschützten Wohnhaus in der Friedrich-Ebert-Straße 2, welches derzeit der GWG gehört, erhalten bleibt und zur Informationsstelle und Streuobstzentrum – als Teil des vor einigen Jahren gegründeten »Schwäbische Streuobstparadieses« – aus- und umgebaut werden soll. Dafür wird ideelle und finanzielle Unterstützung der Reutlinger Bürgerschaft benötigt.In Hohenheim an der Staatsschule für Gartenbau finden am Jubiläumstag eine Feier und eine Obstausstellung statt. Eduard Lucas war 1843 bis 1869 Leiter der Gartenbauschule in Hohenheim. Ein Festakt wird es in Reutlingen nicht geben. Am Wochenende 29. und 30. Oktober organisieren die Ehrenamtlichen eine Obstausstellung zu Ehren Eduard Lucas. Damit wird ein Bogen zum aktuellen Projekt zur Sortenvielfalt gespannt.
Im Rahmen der Streuobstkonzeption des Landes Baden-Württemberg hat der KOV Reutlingen ein Projekt zum Erhalt alter Landsorten beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz beantragt und die Förderung bewilligt bekommen. Das Projekt hat das Ziel, das Sorten-Wissen aller Bürger im Landkreis Reutlingen abzufragen und dieses kostbare Wissen den nachfolgenden Generationen zu erhalten. Die gewonnenen Informationen werden wissenschaftlich ausgewertet.
Im Wandel der Zeit
Die landschaftsprägenden Streuobstwiesen sind eine Kulturlandschaft, die heute weniger für die Ernährung von Relevanz sind als vielmehr aus ökologischen Gründen. Allein die Artenvielfalt dieser Wiesen ist mit circa 5 000 verschiedener Arten eine der artenreichsten Biotope Mitteleuropas. Für die Naherholung und Freizeitgestaltung der hoch verdichteten Städte und Gemeinden der Region übernehmen die Streuobstwiesen eine wichtige Ausgleichsfunktion. Als offene Landschaften sorgen sie dafür, dass zum Beispiel in den Tälern und an den Hängen des Albtraufs Kaltluft entstehen und in diese dann in die Siedlungsräume abfließen kann.Auch dies sind Gründe dafür, warum es eine gesellschaftliche Aufgabe sein muss, diese Kulturlandschaft zu erhalten. Erhalten bedeutet aber, dass die Flächen weiterhin bewirtschaftet werden müssen. Das Obst von Streuobstwiesen ist vielseitig für unterschiedliche Produkte verwendbar. Nur es ist keine Bewirtschaftungsform, die heute unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wettbewerbsfähig ist.
Subventionen nötig
Doch welcher Bereich der Landwirtschaft bei uns kann dies von sich behaupten? Die Zahl derer, die heute noch Kirschen auf einen acht Meter hohen Kirschbaum ernten nimmt jedes Jahr ab. Für einen Doppelzentner Mostäpfel erhält der »Gütlesbesitzer« in schlechten Jahren 3,50 Euro in sehr guten Jahren zwölf Euro. Für diesen mickrigen Ertrag sind immer weniger bereit, die Streuobstwiesen zu pflegen. Deshalb ist der Kreisobstbauverband der Auffassung, dass es ohne Subventionen auf Dauer nicht möglich sein wird, diese wertvolle Kulturlandschaft zu erhalten.Um über diese Zusammenhänge zu informieren, ist es notwendig, dass im ehemaligen Wohngebäude von Eduard Lucas ein Streuobstinformationszentrum entsteht, in welchem auf die Bedeutung und Wertigkeit dieser Landschaft hingewiesen wird. Es gibt vielversprechende Ansätze, aber der große Wurf lässt noch auf sich warten. (GEA)